Ein gestörter Hausfrieden oder Pflichtverletzungen durch Mieter können einem Vermieter nicht egal sein. Sein Eingreifen muss allerdings auch verhältnismäßig sein. Doch was ist verhältnismäßig, wenn ein Mieter sein Elektroauto mit dem Allgemeinstrom auflädt? Ein aktuelles Urteil aus NRW zeigt jetzt auf, dass Gerichte hier genau auf die Umstände des Einzelfalls schauen.
Leverkusen. Wenn ein Mieter sein Elektroauto an einer Gemeinschaftssteckdose auflädt, kann der Vermieter ihm deshalb nicht unbedingt gleich kündigen. Ein solcher Stromdiebstahl kann zwar grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dabei kommt es aber auch auf die näheren Umstände und die Höhe des Schadens an. Das zeigt jetzt zumindest eine Entscheidung des Amtsgerichts Leverkusen (Urteil vom 17.05.2024, Az.: 22 C 157/23), mit welchem die Amtsrichterin ein Mieterehepaar mit Kind noch einmal davonkommen ließ.
Das Paar wohnt in einem Mehrfamilienhaus und besitzt ein Auto mit Plugin-Hybrid-Technik. Zum Aufladen hängten die Mieter das Gefährt an eine Gemeinschaftssteckdose, deren Stromverbrauch im Rahmen der Betriebskostenabrechnung als Allgemeinstrom von allen Mietern gemeinsam bezahlt wird. Insgesamt zehn solcher Ladevorgänge soll es gegeben haben, was die Nachbarn derart verärgerte, dass sie sich an den Vermieter wandten. Sie forderten ihn auf, dieser Ladepraxis ein Ende zu setzen und in der nächsten Betriebskostenabrechnung einen Schadensausgleich für die anderen Mieter vorzusehen.
Kündigung für Stromdiebstahl im Wert von unter 50 Euro?
Der Vermieter griff daraufhin gleich zum schärfsten Schwert und kündigte der kleinen Familie fristlos und hilfsweise ordentlich. Die Mieter versuchten, den Vermieter zur Rücknahme der Kündigung zu bewegen, indem sie sich entschuldigten und das Auto ab sofort nicht mehr zum Aufladen an die fragliche Steckdose hängten. Außerdem boten sie eine Kompensation von 600 Euro an. Der Vermieter wollte sich darauf nicht einlassen und strengte eine Räumungsklage an. Das Amtsgericht Leverkusen wies diese Klage allerdings ab, die Mieter dürfen in der Wohnung bleiben.
Die Kündigungen seien unwirksam. Der Vermieter hätte zuerst eine Abmahnung aussprechen müssen. Ohne diese vorherige Abmahnung war die fristlose Kündigung unwirksam. Was den Kündigungsgrund, Stromdiebstahl, anbelangt, warf das Gericht einen Blick in die bestehende Rechtsprechung. „Allen Entscheidungen, die einen Stromdiebstahl als Kündigungsgrund ausreichen lassen, ist aber gemein, dass dem Vermieter und/oder der Hausgemeinschaft durch diesen Stromdiebstahl ein beträchtlicher Schaden entstanden ist“, stellte die Richterin in ihrem Urteil fest.
Der Schaden konnte im vorliegenden Fall nicht exakt bestimmt werden. Das Gericht schätzte ihn aber auf 34 bis 42 Euro. Aus einem Schaden von unter 50 Euro ist nach Ansicht der Richterin keine so erhebliche Pflichtverletzung abzuleiten, dass eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt erscheint. Außerdem war unstreitig, dass es seit der Kündigung zu keinem weiteren Stromdiebstahl mehr gekommen war. Insofern sah das Gericht eine Wiederholungsgefahr ebenfalls als nicht gegeben an. Durch die hohe angebotene Kompensation und die Entschuldigung betrachtete das Gericht auch den Hausfrieden als wiederhergestellt.
Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.
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